BDSM Library - Die traurige Vampirin

Die traurige Vampirin

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Synopsis: Die melancholischen Betrachtungen einer jagenden Vampirin
Die traurige Vampirin

Die traurige Vampirin

von Patrizia Panther patriziapanther@gmx.de

 

 

Claire bahnte sich ihren Weg durch die Party, schlängelte sich teilnahmslos durch die Gesellschaft und taxierte ohne spezielle Hoffnung die Menschen um sich herum. Sie wusste nicht, wieso sie hier war, es erschien ihr ein guter Weg zu sein, ein wenig der Zeit totzuschlagen, von der sie unendlich hatte. Sie musste ein wenig drücken und schupsen, denn wegen ihres unscheinbaren Auftretens wurde sie oft übersehen. Sie hatte sich daran gewöhnt in den vergangenen Jahrhunderten und ihre Unauffälligkeit zu Schätzen gelernt, hatte sie ihr doch so manches Mal bei der Befriedigung ihrer sinistren Gelüste geholfen. Ein Vampir musste unauffällig auftreten. Nicht beachtet zu werden half bei der Jagd. Ihre geringe Größe, die großen braunen Augen, ihr unsicheres Auftreten halfen und in den vergangenen Jahrhunderten hatte sich dies nicht geändert, obwohl sie genug Zeit und Gelegenheit gehabt hätte, sich ihrer selbst bewusst zu werden und Stärke zu sammeln.

Sie hatte sich stets als Fremde gefühlt in einer fremden Welt. Die Zeiten wechselten, die Menschen wechselten, die Kleidung, die Mode, die Kriege. Nur sie blieb. Alleine jagend, ihre Blutlust und manch andere befriedigend.

Alle paar Jahrzehnte traf sie einmal eine ihresgleichen, wechselte einige Worte im Angesichts des gleichen Schicksals und ging dann wieder ihres eigenen Wegs. Sie suchte deren Kontakt nicht. Es gab Vampire, die gemeinsam durch die Welt gingen, ihr Leid und ihren Fluch miteinander teilten, doch die meisten suchten wie sie die Einsamkeit.

Äußerlich war sie über die Jahrhunderte unverändert geblieben mit ihrem dünnen, rötlichen Haar und den großen grünen Augen. Seit Jahrhunderten war ihre Gestalt viel zu jung, viel zu mädchenhaft, unverändert seit der Nacht ihrer Schöpfung. Mal hatte sie sich mit ihrer Gestalt angefreundet, mal ihre kleinen Brüstchen verflucht, die bleiche, wächserne Haut, und ihr dann wieder gedankt, da ihr Äußeres das einzige Wesen entzückt hatte, das sie je geliebt hatte, das sie in diese Welt geholt hatte.

Die Musik pumpte Bässe und Schweiß über die Tanzfläche und ihre Nase sog den Duft der Menschen, der Frauen beiläufig auf. Es war eine ausgelassene, hemmungslose Partie. Die Menschen tanzten ausgelassen und verströmten den süßlich-herben Duft der Erregung. Claire kannte ihn in allen Facetten. Sie taxierte die Menge, ohne konkret zu suchen, nichtsdestotrotz mit den halbwachen Augen einer Katze.

Claire nippte an dem schweren Rotwein und ließ sich von der Musik und dem Anblick der Menschen in ihre Gedanken tragen. Die Blonde langhaarige Tänzerin fing ihre Aufmerksamkeit. Es waren diese Rundungen, die Claire fragen ließen, wie es sich anfühlen mochte, diese Frau zu umarmen, zu küssen, zu streicheln. Der Gedanke ließ ihre Knie erweichen. Die tanzende Frau verkörperte reine Sexualität.

Claires Appetit war geweckt. Was die Blonde in den Augen Claires aus der Masse hervorstechen ließ, was das Imperative, Drängende, Befehlende, das sie natürlich, selbstverständlich ausstrahlte. Niemand sonst auf der Party in der gesamten Stadt war sich so sicher, war so überzeugend, strahlte so viel Geborgenheit aus. Diese Frau dominierte die Menge um Längen, und wenn es auch sonst niemand wahrzunehmen schien, für Claires Augen bestand kein Zweifel. Die Frau verfügte über die Bewegungen der Verführung, der Macht, des Beherrschens. Claire erfüllte der Bann, der von ihnen ausging.

Sie fühlte wie die grazilen Hände sie elektrisieren und verzaubern würden, wie Schauder durch ihren Körper fahren würden und wie sie ihre Schwere und Trauer ablegen könnte, wenn das Gefühl der samtenen Haare auf ihrer Haut sie an den Rand des Vergessens tragen würde. So versunken sehnte sie sich danach, in warmen Laken der Blonden dienen zu können, zu gehorchen, die Entscheidungen ihres Lebens vergessen zu können, dirigiert zu werden. Sie wollte den verschwitzten Körper der Fremden spüren, sie glücklich machen, sich vereinigen, ihren Kopf im Schoß der Blonden vergraben, ihren Duft erfahren, den schwülen Duft des Lebens und des reinen Sex. Und weit entfernt, nachdem sie die Tänzerin befriedigt hatte, würde sie ein zartes Verlangen ausdrücken, die kleinen Knospen ihrer Brüste geküsst zu bekommen und in diesem Augenblick vergehen zu dürfen, verglühen zu dürfen, geliebt zu werden. Im Sinne des Wortes: geliebt zu werden - nicht nur gevögelt zu werden.

Als petit mort bezeichnen die Franzosen einen Orgasmus. Das war es, wonach sie sich sehnte, der Tod war es, den alle Vampire, alle Untoten erhofften, und in ihrem eigenen Höhepunkt empfand sie das Gefühl der Aufgabe, des Fallenlassens, der Demut, des Sterbens. Es war ein kurzer, winziger Moment, ein Geschenk, das ihr Frauen von Zeit zu Zeit machten und ihre Pein linderte.

Mit wachsendem Interesse betrachtete sie den Tanz der Fremden, und es schien ihr bald, als würde diese nur für sie tanzen, nur für Claire, um sie zu bezirzen, verführen.

Unwillkürlich umschlangen Claires Arme ihren eigenen Körper, streichelten ihn gedankenverloren. Es kümmerte sie nicht, was die Umherstehenden denken mochten.

Während sie die Tanzende bewunderte, stieg langsam aus jahrhundertealten Tiefen eine Erinnerung empor, schmerzhaft wie der von einer Silberklinge reflektierte Sonnenstrahl. Die Bewegung der Anmut, des Imperativen. All das waren die Bewegungen ihrer Schöpferin, ihrer einzigen Liebe. Vieles hatte Claire in den Jahrhunderten vergessen, doch Sandrine niemals.

 

Sie erinnerte sich, wie sie als junges Ding, als Sterbliche die Stellung in diesem Schloss angeboten bekommen hatte. Mit pochendem Herzen hatte sie damals den Weg durch den dichten Wald unternommen in der Hoffnung auf eine gut bezahlte Stelle, eine Zukunft und ein besseres Leben. Und natürlich hatte sie im Hinterkopf auch die Schauermärchen gehalten, die die alten Weiber im Dorf am abendlichen Feuer erzählten.

Sie hörte noch heute den donnernden Hall des sich öffnenden schweren Eichentores in ihren Ohren, als sie scheu und verschreckt in den Burghof getreten war mit den naiven Trippelschritten eines jungen Mädchens. Alles war neu und ungewohnt, größer als sie es aus ihrem armseligen Dörfchen kannte.

Von schweigsamen Menschen war sie in den Dienst aufgenommen und angeleitet worden. Neue Dienste kamen auf sie zu, neue Erfahrungen und Blickwinkel. Das Dienen war ihr nicht neu, in ihrer Position kannte man nichts anderes, doch ihr vormaliges Dienen war ein grobes Herumgescheuchtwerden gewesen. In dieser seltsamen Burg, in denen tagsüber nie einer der Herrschaften zu sehen war, die immer nur des Nachts erschienen zu rauschhaften Festen und ausgiebigen Feiern, da behandelte man sie gut, leitete sie an, geduldig, respektvoll.

Als sie dann das erste Mal in dem barocken Saal bei einem Ball Dienst tat, die schweren Stoffe und Kleider sah, die prunkvolle Einrichtung betrachtete, die massiven Kerzenständer, Tische und Stühle, da konnte sie nur dastehen mit staunend geöffneten Augen, und sie konnte nicht glauben, was sie sah. Nie zuvor hatte sie derart schöne Frauen in edlen, aufgeblähten Kleidern gesehen und derart stolze Männer.

Dieses Staunen und unziemliche Verharren war es auch, das der Gastgeberin sofort aufgefallen war und das sie mit einem Blick goutierte, den Claire nicht deuten konnte. Den ganzen Abend, während des Servierens oder den Zeiten des Wartens, in denen sie der Gesellschaft beim Essen zusah, darauf wartete, einen Wunsch erfüllen zu können oder Wein nachzugießen, konnte sie ihre Augen nicht von der Frau nehmen. Nie zuvor hatte sie eine schönere gesehen in dem tief ausgeschnittenen purpurnen Kleid, das die bleichen Brüste so betonte. Die Haltung dieser Dame zeugte von Stil, Niveau, edlem Tun. Kontrolliert und sicher, leise aber bestimmt mit einem spöttischen Lächeln auf den geschminkten Lippen, so gab sie sich, und das war vollkommen anders als die hemdsärmeligen Mägde und Bäuerinnen, die sie aus ihrem Dorf kannte. Nie zuvor hatte sie eine schönere Frau gesehen, und als diese später am Abend, als die Stimmung sich gelöst hatte nach Wein verlangte, da spürte Claire die Hände dieser fremden, unglaublich schönen Frau auf ihrem Leib. Der Griff um ihre Hüften war von einer leichten Selbstverständlichkeit und Entschlossenheit geprägt gewesen. Es war eine warme, ihr zuvor unbekannt gewesene Berührung gewesen, aber sie hatte auch eine Spur Prüfendes, wie ein Rosshändler seinen neuesten Erwerb inspizierte. Nach dieser Berührung war Claire eine andere. Die zunehmend ausgelassene Gesellschaft trat zurück, verschwand im Hintergrund. Claire kämpfte mit ihrer Seele, die Dinge fühlte, die sie nie zuvor gefühlt hatte, eine Wärme spürte, die nie zuvor ihren Körper erfüllt hatte.

Noch am gleichen Abend hatte diese Frau sie zum ersten Mal gebissen.

„Komm her, mein süßes Stück Fleisch!“, das waren die Worte gewesen, die mit eisiger Schwüle in die Glieder des jungen Dings eingezogen waren. Sie hatte Claire an der Hand genommen und in das große Bett gezogen, auf dem sie es sich mit anderen Frauen der Gesellschaft bequem gemacht hatte. Claire hatte nur ein wenig gezögert, eine Wahl stand ihr nicht zu, als ihrer Gebieterin auf das weiche Lager zwischen die Leiber zu folgen. Ihre Instinkte, vielleicht war es auch nur ihre Unwissenheit, warnten sie mit leise mahnenden Zungen. Doch in den aufgeblähten Stoffen, auf den glänzenden Laken zwischen den anderen Frauen, verlor sie sich bald im Neuen, Warmen, Glückseligen. Den teuren, schimmernden Stoff befühlte sie, und die spöttischen Bemerkungen der lüsternen Frauen nahm sie zunächst nicht wahr. Erst als sie deren Hände auf ihrem Körper spürte, die sie streichelten, liebkosten, aber auch prüften, da hatte sie die Umgebung wieder wahr genommen. Die Hände, die sie anfassten, wie sie noch nie zuvor angefasst worden war. Die beruhigenden Stimmen und das wohlige Gefühl schwemmten ihre Scheu bald davon.

Sie verstand nicht, was Sandrine meinte, als sie sagte: „Lasst sie uns erhitzen, es geht nichts über den Geschmack des Blutes einer erregten Jungfer“, aber der leicht raue Klang der Stimme verhieß Ruhe und Geborgenheit. Sie traute der Ruhe und Gelassenheit der Dame.

So fand sich Claire unversehens zwischen den Körpern der Frauen wieder, spürte, wie unzählige flinke Hände sie entkleideten, sich entkleideten, sich über sie schlängelten, wie sie Dinge fühlte, die sie nie zuvor gefühlt hatte, wie Wärme und Verlangen in ihrem Schoß wuchsen und wogten. Sie ließ es geschehen, ließ sich streicheln und berühren, und wenn sie zunächst noch hatte versucht, ihren entblößten Schoß und die Brüste zu verbergen und den explorierenden Händen vorzuenthalten, so ließ sie bald auch dieses Verhalten fahren und gab sich vollends den Frauen hin, die sie immer und immer näher zu ungeahnten Gefühlen streichelten. Während all dem hielten die Augen der Fremden sie gebannt, gaben ihr Halt aber hielten sie auch. Dann, als die Magd sich vor neuen Pforten befand, als sich in ihrem Körper zum ersten Mal neue Dinge anbahnten, ihr Blut schneller pulsierte, ihr Atem stockte und sie sich in einem unkontrollierten und lauter werdenden Stöhnen ergoss, da spürte sie plötzlich, wie Sandrine sich über sie beugte und ihr einen langen, tiefen, schmerzhaften Kuss auf den Hals gab. Der kochende Höhepunkt und der fordernde Kuss raubten ihr die Sinne, und sie verschwand in einem Tor der Lust, der Dunkelheit und des Verlangens.

Als sie wieder zu sich kam, lag sie in den Armen der Herrin, die gedankenverloren mit Claires Haaren spielte, ihre erkaltete Haut streichelte und sich mit den anderen Frauen unterhielt. Claire verstand nicht, worum es ging, doch sie spürte Geborgenheit in der Sphäre der wunderschönen Frau, und so lag sie dort ermattet, behütet und beschützt, spürte die Liebkosungen und ihren nackten, kühlen Körper in dem großen Bett. Sanft und zärtlich strichen die langen Finger über ihre weiche Haut und rieben in liebkosenden Bewegungen das getrocknete Rinnsal Blutes fort, das sich den Weg von ihrem Hals, zwischen die Brüste gebahnt hatte, um auf ihrem Bauch zu versiegen.

In diesem Augenblick empfand sie zum ersten Male wahre Liebe. In diesem Augenblick wünschte sie sich die Ewigkeit dieses Augenblicks. Seit diesem Augenblick war sie dieser Frau verfallen. So war sie eingeschlafen.

Erst später berichtete man ihr, dass sie fast drei Tage geschlafen hätte, und für eine weitere Woche war Claire noch zu schwach aufzustehen, und so verbrachte sie ihre Tage mit Gedanken an Sandrine in ihrem kargen Kämmerlein, gepflegt vom übrigen Personal. 

Auch Sandrine schien Gefallen an dem naiven Charme und den großen Augen der Magd gefunden zu haben, und so avancierte Claire bald vom wertlosen Blutopfer zur Zofe und zur Gefährtin Sandrines. Claire diente und liebte Sandrine und diese ließ ihr im Gegenzug ein Maß an Achtung und Respekt entgegenkommen, wie sie es im Dorf noch nie zuvor erfahren hatte. In diesen Tagen war Claire glücklich. Sie kleidete und hofierte ihre Herrin, bürstete die seidenen Haare, und des Tags wachte sie vor Sandrines Gemach. Auch das Wissen von deren Blutlust, den elfenbeinenen Fängen, deren morbidem Wesen, konnte sie nicht von ihrer Liebe abbringen. Wenn Claire zusah, wie die Herrin auf einem der Bälle ein unschuldiges Mädchen verführte, erregte, zu ihrem ersten Höhepunkt trieb, aussaugte, ihr warmes Blut trank, wenn Claire sah, wie das Leben aus den Körpern der jungen Dinger in den ihrer mondänen Gebieterin floss, dann lief Claire ein Schauder über den Rücken. Es war ein angsterfüllter, aber auch ersehnter Schauder. Claire versetzte sich in die Position der armen Dinger und wenn sie selbst im Liebesspiel mit Sandrine war, wenn diese sich über sie beugte, Claire ihren Hals und ihr Leben in die Hände ihrer Gebieterin begab, dann wünschte sie sich auch manches Mal, in diesem Augenblick zu vergehen, sich und gar ihr Leben als größtes Geschenk ihrer Herrin herzugeben. Doch anders als mit den vielen jungen Dingern, ging Sandrine mit Claire nie bis zum letzten Schritt, schonte stets deren Leben.

Tiefer hatte ein Mensch eine Untoten nie zuvor geliebt. Fortan wich sie nicht von Sandrines Seite, diente ihr, lag ihr zu Füßen, erfüllte jeden geäußerten Wunsch und fand darin selbst ihre vollkommene Erfüllung. Sie gab sich auf, ließ sich kommandieren, küsste ihre Füße und ertrug auch die Launen und die sadistische Ader. Wenn Claire sich ihrer Herrin hingab im Liebesspiel, Befehle empfing und befolgte, von ihr in bizarre Spiele verstrickt wurde, in wohliger Furcht vor ihrer unsterblichen Herrin erstarrte, dann empfand sie tiefste Befriedigung. Wenn Sandrine Claire auf dem Höhepunkt des Liebesspieles über sie beugte, ihre Fänge in Claires Hals schlug und ihr Blut saugte, dann hielt sie ihren Atem an, ließ es geschehen in einer Mischung aus Hingabe und Hoffnung auf Leben. Wenn sie geschwächt durch den Biss in eine tiefe Ohnmacht sank, dann waren ihre letzten Gedanke die an ihre Gebieterin und ihre letzte Frage war, ob sie daraus wieder erwachen würde. Aber ihre Herrin sorgte sich stets, ging nie zu weit, ließ ihr stets genug Blut zum Leben. Mit jedem überstandenen Biss wuchs Claires vertrauen.

Schließlich wurde sie in einem feierlichen Akt geadelt, selbst zu einem Vampir konvertiert. Es war der schönste Augenblick in Claires Leben. Fortan saugte sie selbst Blut, hatte selbst das Leben junger Dinger in der Hand und lernte auch den Reiz kennen, der von der anderen Seite ausging, lernte den Geschmack erregten Blutes kennen und wie es die eigene Lust und Begierde sättigte. Doch sie empfand ihren Platz stets an der Seite und zu Füßen ihrer Herrin, empfand die Befriedigung ihres Blutrausches als Notwendigkeit, saugte es oft nur, um sich dann ihrerseits von Sandrine beißen zu lassen und das gerade getrunkene Blut wieder preiszugeben.

Doch das gemeinsame Glück dauerte nicht an. In der Umgebung flammten Gerüchte über die dekadenten Empfänge auf, und eines Tages stürmte ein wilder Mob das Schloss und verbrannte ihre Herrin, Gebieterin und Geliebte auf einem Scheiterhaufen im Burghof.

Claire überlebte nur durch Schicksal und verbrachte die folgenden Jahre damit, den Tod ihrer Geliebten zu rächen, bis sie schließlich, nach der Ausrottung des Dorfes ihres Lebenssinns beraubt ziellos umherstreifte, das schnelle Vergnügen und die verlorene Geborgenheit suchte. Sie verfluchte ihre animalische Seele, die Blutgier und ihre Unsterblichkeit. Doch schließlich fand sie sich mit ihren Fängen, ihren immerzu jagenden Sinnen, ihrer Blutlust ab und lebte in den Tag, neidete ihren Opfern deren Sterblichkeit, die Kostbarkeit ihrer Existenz.

 

Claire seufzte. All diese schmerzhaften Erinnerungen an ihre einzige Liebe brannten wieder auf. Claire würde niemals vergessen können. Ihr Weg durch die Jahrhunderte glich der Suche nach der Geborgenheit und dem Schutz, den sie damals erfahren hatte. All die Frauen, die sie verfolgt hatte, sie alle waren nichts als der Versuch, dieses eine Gefühl zu kosten.

Sie versuchte, die Gedanken abzuschütteln und konzentrierte sich erneut auf die Tanzende. Ihr imponierte der herbe Charme und die Sicherheit, die die Frau ausstrahlte. Es waren die katzengleiche Bewegung, die Anmut, die versteckte Stärke, die Claire anzogen.

Claire wusste, was zu tun war. Scheu wie ein Kaninchen bahnte sie sich ihren Weg an die Bar,  wo sie wie zufällig auf die Fremde stieß, verschüttete wie aus Versehen ihren Drink, entschuldigte sich, ließ sich auf ein Gespräch ein. Claires Bewegungen gebärdeten sich mädchenhaft, opfergleich und ihre Augen leuchteten groß und unwissend. Sie hatte das Spiel perfektioniert. Ein wenig tapsig, ein wenig unbeholfen trat sie auf und erregte die Aufmerksamkeit der Blonden, die sich lächelnd mit der Zunge über die Lippen fuhr. Die beiden begannen eine knisternde Unterhaltung. Viel gab es nicht zu besprechen, die Situation war schnell geklärt. Claire ließ sich von der Frau in eine ruhige Ecke führen.

Der drängende Mund, die fordernde Zunge, die schnellen und gewandten Hände auf ihrem Körper, all das ließ sie geschehen, und sie ließ sich fallen, sie ließ ihre Begierde nach Schwäche zu und gab sich in den Armen auf. Stark und schützend schlangen diese sich um Claire, manchmal hart, gaben sie ihr die Möglichkeit, sanft gegen die Umklammerung aufzubegehren, und in dieser Zuflucht zu suchen. Mit weichen Knien ließ sie es geschehen, ließ sich küssen, sich berühren. Als ihre Beine nachzugeben drohten, da waren es diese fremden Arme, die sie hielten, gegen die Wand drängten, sie zwängten und bezwangen. Der glühende Körper der Fremden und die kühle Wand in ihrem Rücken, sie fühlte sich hilflos wie ein eingepferchtes Tier.

Als die Fremde sie schließlich bei der Hand nahm und resolut aus der Menge zog, weg von der lauten Party, da trippelte Claire willig und wohlig hinterher, ließ sich zum Wagen führen und auf den Beifahrersitz schicken. Während die Blonde rücksichtslos durch die Stadt jagte, spürte Claire die fremde Rechte in ihrem Schoß, die ihren Besitz für die Nacht erfühlte. Claire schmolz dahin, spreizte ihre Schenkel, um den Zugang zu ihrem Schoß zu erleichtern. Scheu und vorsichtig ertastete ihre Linke ihrerseits die Schenkel der fahrenden Frau, doch ihre Bewegungen waren schüchtern und zurückhaltend. An der Ampel gehorchte sie dann dem befehlenden „Komm her“, ließ sich küssen, ließ es geschehen, bis hinter ihnen das Grün der Ampel die Weiterfahrt mahnte. Mit quietschenden Reifen ging die Reise weiter zur Wohnung ihrer fremden Gebieterin des Augenblicks.

Es war eine schön eingerichtete Wohnung, in die sie sich führen ließ.

„Zieh dich aus!“

Wie ein Nadelstich erklang der Befehl und Claire blickte leicht erschrocken auf die dominierende Frau, die sie in einem schweren Sessel sitzend observierte und sichtbar Spaß empfand an ihrer Rolle.

Mit einer zarten Bewegung schob Claire die Träger ihres Kleides von den Schultern. Lautlos glitt der dünne Stoff ihren Körper hinab, langsam entblößte er den jugendlichen Körper. Claire widerstand dem Drang, sich vor der Frau zu bedecken und ließ ihre Arme zur Seite gleiten, während sie zusah, wie die Blonde sie betrachtete, ihren Körper mit Blicken abtastete. Sie spürte einen Schauder ihren Rücken hinablaufen, konnte förmlich die Blicke auf ihrer bleichen Haut spüren, spüren, wie sie berührt wurde, spüren, wie sie in Claire eindrangen, unter die Haut gingen, wie sie Geheimnisse aufdeckten, diese an die Öffentlichkeit zerrten.

„Tanz für mich!“

Claire begann zu tanzen, zu einer imaginären Musik, entblößt, voller Scham vor der fremden Frau, die sie gerade erst kennen gelernt hatte, die sie nicht kannte, der sie nicht vertrauen konnte, in deren Kopf sie nicht schauen konnte, deren Motivation sie nicht kannte. Claire wusste nicht, was kommen würde, was geschehen würde, sie wusste nur, dass sie sich aufgeben musste, dass sie zu gehorchen hatte, dass sie sich hingeben musste.

Die Kommandos zerschnitten die Luft.

„Spreiz die Beine!“, „Heb die Arme!“, „Dreh dich!“ und Claire gehorchte beklommen, unsicher, aber auch glücklich. Sie beugte sich vor, schwenkte ihre Hüften, drehte sich.

„Auf die Knie!“ und die Nackte kam dem Befehl nach, erniedrigte sich vor der Sterblichen, die nicht wusste, wen sie sich in ihre Wohnung geholt hatte.

„Jetzt komm zu mir gekrochen, du kleines Miststück!“

Claire bewegte sich langsam über den Boden.

„Du magst es, wie ein Stück Dreck behandelt zu werden, was?“

Die Worte stachen in ihr Herz, doch sie konnte nicht protestieren, senkte ihren Blick voller Scham. Sie schämte sich, dass sie sich auf diese Art Befriedigung erkriechen, erbetteln musste, dass sie die Demütigung über sich ergehen lassen musste.

„Sieh mich gefälligst an, wenn ich mit dir rede!“

Die durchdringenden Blicke der Fremden griffen ihre Kehle. Claire war in ihrer Rolle, der Rolle ihres Lebens, der einzigen Rolle, in der sie sich wohl zurecht fand.

„Du bist so ein kleines Miststück! Kriech hierher zwischen meine Schenkel!“

Claire gehorchte.

„Näher, komm ganz nah! Aber wehe, du berührst mich, bevor ich das erlaube!“

Claire gehorchte.

„Riechst du mich? Riechst du, wie heiß ich bin, du kleines Miststück? Du sehnst dich danach, mich auszulecken! Sag nichts, es interessiert mich nicht, was du denkst!“

Claire fühlte sich klein. Sie, die Unsterbliche, die Untote, ein metaphysisches Wesen, ließ sich von einer Sterblichen erniedrigen, beleidigen.

Vulgär und unwürdig.

Sie ließ es geschehen.

„Riech mich!“

Claire erfasste den schwülen Duft in ihren Nüstern, und sie spürte ihr Verlangen wachsen.

„Vielleicht erlaube ich dir, mich zu lecken, obwohl du es nicht verdienst.“

Der Duft nahm alles ein, verwirrte ihre Sinne.

Schwer, bekannt und doch immer wieder neu, anders in den Nuancen, immer noch unergründlich, immer wieder frisch und machtvoll.

„So was Schönes hast du im Leben noch nicht gerochen, was?“

Sie bekam den Befahl, ihr den Slip auszuziehen, ohne sie mit ihren Fingern zu berühren und Claire kam der Aufforderung vorsichtig nach mit ihren Zähnen griff sie den dünnen Stoff, berührte dabei die warme Haut der Fremden, roch sie, wurde erfasst von dem Duft, der Begierde, zog langsam und mühsam am Stoff, musste auf die Hilfe der Blonden vertrauen, die sie zappeln ließ, nur langsam ihre Hüften hob, auf dass der Slip sich von den Hüften löste. Sie roch und schmeckte schließlich die Feuchtigkeit, die sich zwischen den Schenkeln gebildet hatte, die Mischung aus dem Schweiß der Nacht und der Erregung des Augenblicks.

Claires eigene Erregung wuchs unaufhaltsam.

Die Fremde ließ sie in der Schwebe, streichelte Claires Kopf, setzte die Beschimpfungen und Beleidigungen fort, und Claire ließ es geschehen, ließ den Duft ihren Verstand ausfüllen.

Langsam jedoch stiegen auch andere Lüste in ihr hoch, unaufhaltsam schwer.

Als sie dann die Erlaubnis gewährt bekam, da verrichtete sie ihren Dienst mit der gleichen Gewissenhaftigkeit und Hingabe, mit der sie auch ihrer Herrin gedient hätte, ließ ihre Zunge über die glatten, warmen Schenkel streifen, den Venushügel, die rasierte Scham. Eine wehmütige Lust war es. Ihre Zunge drang in die Spalte der Frau ein, erforschte, erspürte, saugte die Flüssigkeit auf, verging sich in ihr.

Ihre Zunge war geschult und voller Hingabe begab sie sich an ihr Werk, diente, stellte alles andere zurück und empfand die Lust im Augenblick. Jedes Signal der Erregung, das Claire empfing, beglückte sie, erfreute sie, war ein Zeichen des Dankes und der Genugtuung. So brachte sie die Fremde zu dem Höhepunkt, der ihr gebührte, den sie verdiente, den ihre dominante Ausstrahlung verlangte, und der gerecht war. 

Als die Fremde von den Wellen erschüttert wurde, da verblieb Claire in ihrer Position, zwischen den Schenkeln, den erzitterten Körper spürend, weiterer Befehle harrend, bis die Blonde sich wieder gefasst hatte.

„Das hast du gut gemacht, du kleines Luder! Du machst das nicht zum ersten Mal!“

Claire schlug die Augen nieder. Auch der Höhepunkt, mit dem sie der Fremden gehuldigt hatte, hatte diese nicht nachsichtiger gemacht, hatte nicht Sympathie schaffen können. Claire sah sich immer noch der Kälte ausgesetzt. Auf dem kalten Boden wurde sie von der blonden Frau gestreichelt. Es waren lieblose, mechanische Bewegungen, die ganz im Gegensatz zu der katzenhaften Grazie stand, die Claire auf der Party aufgefallen war. Dieser Gegensatz erfüllte Claire mit umso größerer Trauer. Die abweisenden Kommentare der Frau taten ihr Übriges. Claire musste sich als kleine Schlampe, als Miststück, als Luder beschimpfen lassen, sie musste sich anhören, dass sie keinen Stil und keine Selbstachtung habe und von verachtungsvollen Händen zu einem Höhepunkt getrieben werden. Als sie die Augen öffnete, thronte über ihr die Blonde, und ihr kalter Blick ließ sie erschaudern.

Doch die Beschimpfungen, die Demütigungen, die Kälte erregten sie eben. Sie, als ein stolzes Wesen übernatürlichen Ursprungs, Unsterbliche, ließ sich von einer Sterblichen so erniedrigen, hatte es nötig, sich erniedrigen zu lassen, sich eines Vampirs unwürdig zu benehmen. Sie schämte sich ihrer Demut, ihrer Verzweiflung, ihrer Erniedrigung, und diese Scham steigerte ihre Erregung, die kalten Finger auf ihrem Körper, die in sie eindrangen, ohne es zu meinen, die Verächtlichkeit. Der Gedanke daran, dass die Blonde zwischen ihren Beinen Hitze und Feuchtigkeit fühlte, dass sie dies mit noch mehr Verächtlichkeit goutierte, kommentierte, trieb sie noch tiefer in ihre Scham.

Sie dachte an ihre ehemalige Herrin, dachte an die Nacht in dem weichen Bett, zugedeckt von jungen Leibern und der behutsamen und behütenden Dominanz ihrer damaligen Herrin, die sie nie so behandelt hatte, sie dachte daran, wie tief sie heruntergekommen war.

Claire spürte eine eisige Hitze in ihr aufsteigen, aus ihrem Schoß pulsierend, sie spürte einen Höhepunkt der Verzweiflung und der Lust, der Erniedrigung, der Sehnsucht, des Verlangens. All dies überkam sie, wusch alles andere beiseite, ließ sie vergessen, wo wie sie war, mit wem sie war, wie sie auf dem kalten Boden einer fremden Wohnung lag, sich befingern lassen musste.

Doch noch etwas anderes bahnte sich seinen Weg:

Etwas Animalisches, Unkontrollierbares erhob sich. Sie spürte, wie sich ihr Körper veränderte, ihre Fänge wuchsen, sie aufstieg, ihre Fesseln sprengte und das Sinistre entkommen ließ, das es nicht duldete, geknechtet zu werden, das sich auflehnte und sich für den ihr zugefügten jahrhundertealten Schmerz rächte.

 

Claire stand langsam auf, um sich zu vergewissern, wo sie war. Mit einem unbeteiligten Blick zog sie ihr Kleid an, blickte auf die leblose Blonde am Boden mit einer Mischung aus Reue und Bedauern, aber auch der Gewissheit, dass sie ihr wie all die anderen Frauen zuvor nicht das hatte geben können, das ihr ihre einzige Geliebte gegeben hatte. Die Erkenntnis, dass ihre Liebe im Tod ihrer Gebieterin erstarrt und auf Ewigkeiten in Stein gemeißelt worden war, dass sie die einzige Form einer immerwährenden Liebe gefunden hatte, lastete schwer auf ihr.

Mit einer Träne in den Augen verließ sie das Apartment.

 

patriziapanther@gmx.de

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